Immer sitzt am Nebentisch
Irgendein
Idiot
Und sondert lautstarke Redeschwalle ab
Man möchte aufstehen
Und selbigem die Fresse polieren
Stattdessen sitzt man sich fest
Und erhebt das Glas
Auf die Errungenschaften der Zivilisation
Ich trinke meinen Tall Chai Latte und denke:
Du balancierst besorgniserregend
Am Rande eines großen, dunklen Lochs, mein Freund
Zwischen seinen Beinen
Hampelt ein Hund herum
„Dein Herrchen wagt sich ganz schön weit aus
dem Fenster“, flüstere ich
„Ich weiß, er ist ein Arschloch. Aber er verwaltet das Fressen.“
Das ist genau das Problem: Es gibt
immer einen, der das Fressen verwaltet
Ausgespielt
Am Morgen des 20. März
nachdem er von den Vorstadtratten wie immer mit „have a rotten day“
begrüßt worden war
wurde ihm bewusst
dass er die letzten 20 Jahre
praktisch in einem Mittelklassewagen verbracht hatte
irgendetwas begann zu wirken
er hoffte, dass es die Grünen und Blauen waren
denn die Roten hatte er noch gar nicht genommen
Jetlag
Mein Körper befindet sich noch in Miami
Der Anblick der Montagmorgenfressen
deutet jedoch
darauf hin
Dass ich unwiderruflich wieder zu Hause bin
Der Kellner berechnet mir zu viel
Was mir ziemlich egal ist
Ich will nur raus aus dem Dunstkreis der Morgenmuffel
Das scheint ansteckend
Auch ich gucke schon
ziemlich beschränkt aus der Wäsche
Die Wetterlage ist beschissen
3. August, 13 Grad, regnerisch
Wieso vergeht die Zeit so schnell
Kaum der Mutterbrust entwöhnt
Schon bestellt man den Platz in der Altersresidenz
Im Hintergrund singt Michael Jackson
– der Herr sei ihm gnädig –
“You are not alone“
Ich nehme an, das ist als
Drohung aufzufassen
Gelobtes Land
Die Eidechsen auf meiner Veranda
Machen sowas wie Liegestütze
Bei 103 Grad Fahrenheit
Das muss am kleinen Hirn liegen
Ich hingegen sitze wie eine benebelte träge Bisamratte
Auf dem Chaiselongue, nippe an meinen Chill – 100 Kalorien
Und schwitze aus
Letzte Woche hatte der Teufel an meine Tür geklopft
Und mich ins Land der Schweinepriester eingeladen
Weil auf der Erde eh bald Schluss sei
Manchmal denke ich
Ich hätte mitgehen sollen
Manchmal denke ich
Ich bin schon dort
Alabama
Wir schmissen
unsere Bierdosen
in den Trichter
der Nacht
Die alles verschluckte
Gleissendes Mondlicht ergoss sich über meine Schenkel
Die Nacht schützte
Ließ vergessen
Am meisten sich selbst
Das flache, staubige Land
Das grausame Gelb der Sonne
Die tagelang unerbittlich auf uns niederprasselte
Als würde sie uns in dieser
unwirtlichen Gegend
plattmachen wollen
Die Nacht grenzte den Horizont ein
Der tagsüber endlos ins Nichts führte
Unser Leben konzentrierte sich auf wenige Dinge
Verdammt, wir existierten
Und das
war irgendwie
richtig
gut
Bis zum Äußersten
Er spuckte, wenn er sprach
Versprühte Geifer
Mit zu Berge stehenden Haaren
Die, die ihm geblieben waren
Er referierte
Während er hastig meinen Wein leerte
Und mit den Händen rang
Dass das Weiße an den Knöcheln hervortrat
Er hatte einen Ansatz zum Bauch
Angefressen in 25 Jahren Revolutionspause
Jetzt trat er wieder aufs Tapet
Und auf die Barrikaden
Warum gerade jetzt, blieb unklar
Er wollte etwas tun
Egal was
Aber es interessierte keinen
Sie waren zu beschäftigt
Mit der Rettung ihrer Spareinlagen
Und der Spannkraft ihrer Haut
Er fühlte sich wie ein einsamer Wolf in den Abruzzen
Ich bestellte mir einen Espresso
Für meinen Wein gab es eh keine Rettung mehr
Und auch nicht für den alten Aufwiegler
Er würde bis zum Äußersten gehen
Glücklicherweise lag das Äußerste
Knapp hinter seiner Couch
Es bestand also zu keinem Zeitpunkt
Gefahr für die Zivilbevölkerung
Jan 16, 2013 @ 12:44:09
Hey, das ist herzerfrischend gut. Ein guter Sound, geboren aus einem wummernden Blues auf Mikrowelle. Geht mir unter die Gänsehaut!