14. Juni 2015
Liebe Freunde des gONZoverlags,
darf ich vorstellen: „Wehe, du schreibst nichts über die Nits“ (Musikkolumnen von Stefan Gaffory) ist fertig. Nun möchten wir euch Teil eines kleinen Experiments werden lassen. Gedruckt wird das gute Stücke, sobald ich 150 verbindliche Vorbestellungen vorliegen habe. Das Ganze wickeln wir über Start Next ab. Wenn ihr also auch der Meinung seid, dass dieses Buch unbedingt erscheinen sollte, unterstützt das Projekt doch hier, bzw. bestellt dort zu einem günstigen Vorbestellerpreis: https://www.startnext.com/bronkowitz
Als Dankeschön bekommen alle Vorbesteller das Buch für nur 10,- € (statt 12,95 €). In dem Zug könnt ihr auch das Gaffory-Gesamtpaket bestellen: „Wehe, du schreibst nichts über die Nits“, „Kreisklassenhölle“ und „Katzenkönig“ könnt ihr per Mail für 30,- € bestellen (statt 35,90 €).
Anbei findet ihr Informationen zum Buch und drei Leseproben, damit ihr wisst, worauf ihr euch einlasst.
Herzlich,
eure Miss Gonzo
Stefan Gaffory
Wehe, du schreibst nichts über die Nits
Die neun Leben des King Bronkowitz
Musikkolumnen
Ca. 300 Seiten
Mit einem Vorwort von Dirk Bernemann
Und einem Vorwort von Albert Koch
Seit 2007 veröffentlicht Stefan Gaffory Musikkolumnen auf seinem Blog, im Musik Express-Forum sowie im Ox-Fanzine. Plattenkritiken, Konzertberichte, Nachrufe, jubiläumsbedingte Werkschauen. Spannend daran ist, dass er sich nicht auf eine Musikrichtung versteift, sondern über alles schreibt, was ihm in die Finger kommt: von Afric Simone und Gottlieb Wendehals über Pete Steele und Iggy Pop bis Mother Tongue, The Cherry Thing, Wovenhand oder DŸSE. Man muss vermutlich wirklich King Bronkowitz sein und über neun Leben verfügen, um so viele (verschiedne) Musiker und Bands auf dem Schirm zu haben. Das gut recherchierte Faktenwissen macht die Texte äußerst spannend, die ungezügelte Polemik macht sie äußerst amüsant, die biographischen Bezüge machen sie sympathisch nahbar – und alles zusammen ergibt den unverwechselbaren gafforyschen Kolumnenstil.
„Wehe, du schreibst nichts über die Nits“ ist eine Sammlung diverser Texte, die für die Buchversion in einen Gesamtzusammenhang eingebettet wurden.
„Stefan Gaffory! Dich hat man doch als Kind vor dem Radio festgekettet!“ (Tex Dixigas, Red Lounge Records)
Leseprobe:
Die vergessene 1
Nun wird Bob Dylan also 70; gefühlt ist er das schon, seit ich ein Kind bin. Wahrscheinlich hat da jemand eine 1 vergessen, und er wird 170. Also müßte ich im Umkehrschluß bereits 137 sein. Gefühlt bin ich das schon seit mehreren Wochen. Schwer zu sagen, was am Jubilar unerträglicher ist: seine somnolente Stolpermusik mit Hans- Huckebeingesang und garstig durch den Kamm geblasener Mundharmonika (natürlich gibt es unter geschätzt 12 000 Songs auch Ausnahmen: „Hurricane“ oder den „Subterranean Homesick Blues“ winke ich gerne mal durch, dann ist die Schmerzgrenze aber auch schon in Sicht … wenn man einmal seine Urversion von „All Along The Watchtower“ gehört hat, weiß man, daß die Version von Jimi Hendrix nicht zu unrecht als bestes Cover aller Zeiten gilt) oder seine Jünger. Man hat schon Menschen erlebt, die jedes Gelumpe der alten Nebelkrähe in den Status eines gottgemachten Kunstwerks erhoben haben und jedem, der nicht konform ging, alle musikalischeAhnung inklusive Geschmacksempfinden absprachen… und das zumeist mit einem musikalischen Horizont, der bei Dylan anfing, mit Neil Young weiterging und bei Zappa aufhörte. Ansonsten war in dieser Einöde nichts zu finden. Auch daß er die Rockmusik wie kein Zweiter beeinflußt habe und sich die ROLLING STONES angeblich nach einem seiner Songs benannt hätten, ist ein Allgemeinplatz, der gerne vorschnell betreten wird. Was die Stones angeht, sollte man- trotz Coverversion und Namensgleichheit- einmal in Erfahrung bringen, wer Muddy Waters war. Und ansonsten einfach mal den Kopf zulassen und weiter Joan Baez hören. Aber man will ihm nichts Böses, dem Bob. Nicht mal, daß sich einer unserer Unerträglichsten, der kölsche Mümmelmann Wolfgang Niedecken, der sich ja gerne für Dylans Bruder im Geiste hält, nicht entblödet, einen schwer unzurechnungsfähigen Geburtstagsstuß zusammenzuschmieren und in die BamS drucken zu lassen, bekanntlich Dylans Lieblingsblatt. Dem Gruß kann man unter anderem entnehmen, daß Niedecken den Bob bereits zweimal persönlich getroffen hat. Das sei hier ebenfalls noch einmal mitgeteilt, denn einen anderen Sinn und Zweck hatte der ganze Scheißdreck auch nicht. Manche Städte scheinen die musikalische Pest eh gepachtet zu haben: gilt Frankfurt weithin als Heimstatt der deutschmusikalischen Intelligentia, darf sich Köln damit brüsten, ständig Leute hervorzubringen, die der fixen Idee verfallen sind, irgendwelches vorhandene Liedgut in ihren glumpfigen Dialekt übertragen zu müssen und ihm damit einen Gefallen zu tun. So gab es in den frühen 90ern eine Band namens THE PIANO HAS BEEN DRINKING, welche ernsthaft glaubte, Tom- Waits- Songs schänden zu dürfen, noch bevor der obige Gratulant meinte, seine „Leopardefellband“ (mit kölschen Covers von … ach, lassen wir das) gründen zu müssen. Aus „16 Shells From A Thirty-Ought-Six“ wurde da beispielsweise „16 Memme En D’r Vringmaschin“. Mehr braucht man auch nicht zu wissen für die unumstößliche Überzeugung, das niemals im Leben hören zu wollen. Also: maat et joot, Bob. Solltest du vorhaben, irgendwann in den nächsten 30 Jahren das Zeitliche zu segnen, weißt du ja jetzt, was du vorher noch dringend zu erledigen hast.
Never Get Out Of These Blues Alive
[…]Also legte ich mir im zarten Alter von 17 bereits erste Bluesalben zu, allerdings alle damals noch neueren Datums. Vieles davon war aus heutiger Perspektive gräßlicher Langweilerquatsch, allen voran Gary Moores Aufzugsmusik, die außer für Teilnehmer eines imaginären Gitarrenvergewaltigerworkshops, die auf „ehrliche, handgemachte Musik“ stehen und dieses Beamtengegniedel für „Blues“ halten, beim besten Willen nicht zu ertragen ist. Irgendwann kaufte ich mir eine Compilation von Hookers Aufnahmen aus den 40er und 50er Jahren namens „Boogie Chillen“, die das dänische Label APS veröffentlicht hatte (und die noch heute über eines meiner allerliebsten Covers verfügt, ein Farbphoto von John Lee Hooker vor irgendeinem Laden in [vermutlich] Chicago, scheinbar aus den 50ern… beim Betrachten hat man das Gefühl, man könne einfach in das Cover hineinsteigen und liefe dann auf jener Straße) und ödete mich damit gewaltig.
Gekauft hatte ich sie mir nach dem Ansehen von „Blues Brothers“ wegen dem grandiosen Titeltrack, aber der Rest erschien mir furchtbar zäh. Der Kontrast zwischen dem Hochglanz von „The Healer“ und „Mr. Lucky“ zu diesen sperrigen Aufnahmen mit ihrer blechernen Produktion schien einfach zu extrem. Daß der gesamte Takt von Hooker oft auf einem am Boden liegenden Holzbrett mitgestampft wurde, war zwar ein interessantes Detail, rettete für mich aber damals nicht viel. „Never Get Out Of These Blues Alive“ war dann eine meiner letzten Anschaffungen in meiner Prä- Punk- Phase. Daß ich anschließend stapelweise Platten aus meiner Sammlung entfernt habe, ohne meine Bluesscheiben anzutasten (auch wenn ich sie jahrelang nicht mehr hörte), spricht wohl Bände. Als dann Jahre später die OBLIVIANS, LO- LITE, MULE, Billy Childish und Jon Spencer in mein Leben traten, die allesamt im alten Blues wurzeln und ihn auf ihre Weise- wenn auch teils bis zur Unkenntlichkeit- weiterentwickelten, und ich dann in Köln im Vorprogramm von Jon Spencer das Glück hatte, R.L. Burnside (R.I.P.) sehen zu dürfen, kehrte die Liebe zurück… nur, daß ich diesmal eben dem Album „Boogie Chillen“ verfiel und mich Platten neueren Datums nicht mehr interessierten, außer sie erschienen auf „Fat Possum“. Auch heute noch sind es vornehmlich Aufnahmen ab den 70ern abwärts, die bei mir einen großen Stellenwert haben. Bei weiterführender Beschäftigung mit allerlei Geschichten trat die faszinierende Tatsache zutage, daß alte Blueser in der Regel ein Haufen räudiger Bastarde waren, oftmals verurteilte Mörder und Totschläger (Son House, R.L. Burnside, Leadbelly), Säufer, Zocker und Hurenböcke (wie die meisten früheren Jazzer übrigens auch, außer daß jene dazu noch fast durch die Bank durch heroinsüchtig waren), was von den heutigen Nachlaßverwaltern, für die Blues allzuhäufig nur eine Korsettstange für ausgedehnt virtuoses Gitarrengewichse ist, gerne mal unterschlagen wird (in nicht wenigen Fällen unterstelle ich schiere Unkenntnis). Nein, Blues ist keine Langweilermusik für alternde Bankangestellte. Was da aus dem Mississippidelta kam, war räudig, hatte Eier, war mehr Rock’n Roll als vieles, was sich heute dafür hält. Da zählen für mich auch keine technischen und textlichen Finessen, das waren Leute, die zum Teil noch hart auf den Plantagen schuften mußten und abends auf selbstgebauten Instrumenten in irgendwelchen Spelunken für eine Flasche Whisky und eine warme Mahlzeit spielten. Dieser Teil der Bluesgeschichte ist mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes gestorben, und das, was nun kommt, tangiert mich nurmehr peripher. Danke, Jungs, ihr wart großartig, und ich hab euch lieb. Ganz ganz doll. […]
Manchmal wünsch‘ ich mir mein Schaukelpferd zurück
[…] Heute morgen in der S41 obskures Hirnkino. Liegt es wirklich am Alter, daß die ganze Fahrt über ein Teil von Peter Maffays Version von „Über sieben Brücken mußt du geh’n“ in Endlosschleife durch mein Gehirn mäandert? Und zwar genau der Part, der da „Manchmal geh ich meine Straßen ohne Blick/ Manchmal wünsch ich mir mein Schaukelpferd zurück…“ lautet, den mein Gehirn aber freundlicherweise abrupt beendet, bevor ein cremiges Saxophon hereinschneit und Schrecken verbreitet. Daß nun einige Leute aus solch cremigen Saxophonen eine generelle Abneigung gegen Saxophone- cremige wie auch uncremige- ableiten, ist zwar verständlich, aber nichtsdestotrotz bedauerlich; denn nicht alle Saxophone sind per se böse. Warum ein meiner Meinung nach nicht existentes höheres Wesen trotzdem Curtis Stigers und David Sanborn (um nur zwei extrem horrible Gestalten hervorzukramen) die Eingebung schenkte, ein Blasinstrument lernen zu müssen, statt- sagen wir mal- an einem Fabrikfließband zum Wohle der Menschheit Vanillepuddingpulver einzutüten, ist immer noch ein ungelöstes Rätsel der Metaphysik, das einen vom Glauben abfallen lassen könnte, sofern man denn einen besäße. Zumal sich der glumpfige Ohrwurm noch als selbsterfüllende Prophezeihung erweist; kaum wandere ich durch die Gänge des Gaggenauer Altersheims, in dem ich momentan in Lohn und Brot stehe, der unvermeidlichen SWR 4- Beschallung wehrlos ausgeliefert, gewahre ich … ja, genau. Daß ich in diesem Moment einen Anus- Praeter- Beutel wechseln muß (was natürlich gelogen ist, aber es hätte gepaßt), rundet das Ganze noch ab. Da fällt mir ein, daß ich mich auf der Leipziger Buchmesse, als ich mich auf dem Weg zur Toilette befand, ohne Vorwarnung der Hydra gegenübersah: die leibhaftigen KARAT standen plötzlich in Reichweite vor mir und posierten für einen Phototermin zwecks Vorstellung ihrer Bandbiographie. Immerhin: in einem ihrer Songs stellen sie eine These auf und liefern gleich eine plausible Begründung dafür. „Uns hilft kein Gott, diese Welt zu erhalten“ heißt es in ihrem markerschütternd inferioren, grauen- und pustelnerregenden Hit „Der blaue Planet“. Und man sitzt einfach nur da und denkt: warum? Darum.
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